Die Vergangenheit

In meiner Schulzeit hat Sport für mich nie eine große Rolle gespielt. In der Unter- und Mittelstufe bin ich immer mit einer drei oder vier durchgerutscht und das war mir auch egal. Ich hatte immer das Gefühl unsportlich zu sein und fand das auch nicht schlimm. Ein bisschen besser wurde es in der Oberstufe. Man durfte sich die Sportarten selbst aussuchen und damit stieg die Motivation. Man konnte nur in sogenannten "Bändern" wählen und da ich unbedingt Volleyball und Badminton wollte, musste ich auch "Gymnastik/Tanz" dazuwählen. Die drei anderen Jungs und ich haben uns sicherlich sehr elegant dabei angestellt und wurden deshalb auch verhätlnismäßig selten von den Damen ausgelacht (nur ca jede zweite Unterrichtsstunde). Jedenfalls machte der Schulsport nun Spaß und wurde von recht viel Beachvolleyball mit Freunden komplementiert, allerdings alles ohne feste Strukturen und Termine.
Das sollte sich rächen als das Studium anfing. Ingenieursstudiengänge (in meinem Fall Technische Kybernetik) sind gerade in den ersten Semestern extrem zeitintensiv. Unzählige Übungen und Testate wollen erledigt werden und dann stehen ja auch noch zweimal im Jahr die Prüfungen an. Dadurch brach bei mir neben dem fest verordneten Schulsport auch der sporadische Freizeitsport quasi komplett weg. Es gab zwar in einem Sommer mal ein kurzes Aufbäumen als ich günstig an ein Rennrad gekommen war, aber irgendwie stellte sich keine Langzeitmotivation ein.
Die Kombination aus Stress, keinem Sport und ungesundem Kantinenessen (und vielen vielen Auftaupizzen) hatte schließlich eine unausweichliche Konsequenz: ich ging in die Breite. Und das ziemlich massiv. Das Problem war auch, dass man als großer Mann mit zusätzlichem Gewicht nicht als dick sondern als "Schrank" wahrgenommen wird. Das schmeichelt einem sogar noch. Deshalb hat es ziemlich lange gedauert bis ich die Kurve bekommen habe.
Im Dezember 2010 (im Alter von 23 Jahren) bekam ich Rückenschmerzen. Unterdessen war ich bei 190cm Körpergröße ganze 120kg schwer. Zu Schulzeiten waren es üblicherweise ca 90kg gewesen. Ich beschloss, dass es nicht angehen kann, dass ein junger Mann Rückenschmerzen bekommt, weil er zu dick ist und fing an abzunehmen. Dazu kramte ich das oben genannte Rennrad hervor, kaufte mir einen Rollentrainer und zwang mich anfangs zu zweimal die Woche eine Stunde Rollentraining. Parallel dazu stellte ich meine Ernährung um. Ich bin kein Fan von Hunger, deshalb aß ich nicht unbedingt weniger, sondern einfach besser. Vollkornprodukte statt Weißmehl, öfter Salat und weniger oft Convenience Food. Und siehe da, die Kilos purzelten.
Als meine Schwester das bemerkte, wollten Sie und ihr jetziger Mann mich unterstützen und schenkten mir einen Startplatz für Rad am Ring 2011 zu Weihnachten. Ich durfte mir die Distanz selbst aussuchen und da ich zur Selbstüberschätzung neige, wählte ich die 150km mit 3000hm. Ich musste also härter trainieren, sonst würde das niemals was. Und das tat ich auch. Ich radelte so viel ich konnte um abzunehmen. Parallel dazu machte ich P90X, ein intensives Fitnessprogramm für schnellen Muskel- und Kraftaufbau. Das hat auch meinem Rücken ungemein geholfen. Ich kann es also nur empfehlen.
Als der große Tag dann anstand wog ich noch 90kg und hatte alles mir mögliche getan. Ob es reichen würde, konnte ich trotzdem nicht einschätzen. Voller Respekt und Adrenalin stand ich am Start auf dem Nürburgring und radelte los. Die Bedingungen waren perfekt: nicht zu heiß, nicht zu kalt und die ganze Zeit Sonnenschein. Die ersten drei von sechs Runden liefen super, doch dann bemerkte ich, dass die komplette Gruppe, in der ich geradelt war, nur auf der Halbdistanz unterwegs war. Sie beendeten alle ihr Rennen und ich war plötzlich allein und ich hatte nochmal genausoviel vor mir. Mit dieser Realisierung begann das große Leiden. Die Schmerzen waren groß, das Tempo brach ein. Aber ich wollte auch an der steilsten Stelle nicht schieben und ich wollte auf keinen Fall aufgeben.
Nach 6.55 Stunden hatte ich es endlich geschafft. Objektiv ist das kein tolles Ergebnis (202. von 210) aber ich für bedeutete es die Welt. Ich hatte etwas großes erreicht und das im Sport. Das hatte ich nie für möglich gehalten. Ich denke die meisten Ausdauersportler kennen das Gefühl auf der Ziellinie. Diese Kombination aus Schmerzen, Erleichterung, Stolz und Freude über das Erreichte. Es ist großartig. Da kann man auch ausgewachsene Männer noch weinen sehen. Ich hatte Blut geleckt. Ich wollte dieses Gefühl wieder haben und ich dachte mir "je härter der Weg, desto toller muss die Ziellinie sein".
Und was gilt weithin als härtester Test der Ausdauer: Ironman!
Natürlich wusste auch ich, dass man sich dahin erst langsam aufbauen muss. Also beschloss ich im Herbst 2011 im Sommer 2012 eine olympische Distanz zu machen.
Ich konnte zwar Schwimmen, aber nicht mit vernünftigem Kraulstil. Also meldete ich mich für zwei Kurse des Hochschulsports an um die Technik zu lernen. Nebenher ging ich verstärkt Laufen, was sich zum Winter hin ja ohnehin anbietet. Den Winter hindurch arbeitete ich hart an Schwimmtechnik und Kraft um für meine erste Triathlon Saison bereit zu sein.
Und damit geht es unter "Wettkämpfe" weiter!

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